Interview mit Martin, Besitzer des VIPER ROOM 2020
Aus der österreichischen – besonders der Wiener – Metalszene ist der VIPER ROOM gar nicht mehr wegzudenken. Neben erstklassigen Underground-Konzerten und Mottoabenden mit Top-Musik bietet der Club eine einzigartige Atmosphäre, die jedermanns Geschmack trifft: egal ob Gothic, Black, Thrash, Grind, oder einfach Klassiker der 80er und 90er – im Viper Room fühlt man sich wie zuhause.
Wir haben uns deshalb mit Martin, dem Besitzer des beliebten Viper Rooms, unterhalten und interessante Einblicke in die Entstehung des Clubs und das Erfolgsrezept bekommen. Außerdem haben wir uns erkundigt, wie momentan der Umgang mit der COVID-19-Krise aussieht.
Zuerst würde ich dich bitten, uns einen kleinen Einblick in die Entstehung des Viper Rooms bis heute zu geben:
Ich hab 2002 begonnen, im Monastery eine monatliche Veranstaltung durchzuführen, das Decadance, das dann ab 2004 schon mit Livebands gearbeitet hat. 2007 musste das Monastery aus finanziellen Gründen schließen, ich hab dann gemeinsam mit Kine versucht, das Lokal zu bekommen, was dann auch geklappt hat. Wir haben uns gegen einige vermögendere Anwärter durchgesetzt, weil wir der Besitzerin einen handgeschriebenen Brief geschickt haben, in der wir ihr dargelegt haben, wie wichtig das Lokal mittlerweile für die alternative Szene ist. Das hat sie so beeindruckt, dass wir das Lokal bekamen. Im Mai 2007 erfolgte dann die Eröffnung. 2015 ist Kine Papa geworden und ist ausgestiegen, seither führ ich den Club allein. Seit der Eröffnung sind jetzt 13 Jahre vergangen, mehr als 6000 Bands haben gespielt und ich denke, wir haben uns für die Größe des Lokals sowohl national, als auch international sehr gut positionieren können, speziell in den letzten 3 Jahren hat man das auch deutlich gemerkt
Wenn man sich mit Leuten aus der Szene unterhält, fällt einem sofort auf, dass so gut wie niemand etwas Negatives über den Club zu sagen hat. Die Atmosphäre und die Leute dort sind einfach einzigartig und das ist nicht nur mir aufgefallen. Was denkst du, macht den Viper Room so einzigartig?
Mein oberstes Gebot war von Anfang an, eine freundliche Atmosphäre zu schaffen, das beginnt schon beim Security. In den meisten Lokalen sind die Securities die, die als Erste auffallen, wer will da schon das Gefühl haben, dass von denen eher Bedrohung ausgeht. Es gab schon Securities, die haben sich mit den Worten beworben, sie könnten gut draufhauen. Das Bewerbungsgespräch war sofort beendet.
Dazu kommt, dass sich ein Großteil des Personals mit dem Club identifizieren kann und mit vielen Gästen befreundet ist, auch das fördert natürlich das Klima, statt Dienst nach Vorschrift. Und dann kommt ev. noch dazu, dass ich immer versuche, faire Bedingungen zu schaffen z.B. auch für Bands, damit sich die nicht ausgenutzt fühlen. Es wird sicher Leut geben, die auch negative Erfahrungen gemacht haben, jeder hat auch mal einen schlechten Tag, sowohl ich, als auch meine Leut. Aber im Grunde haben die Gäste mitbekommen, dass es uns in erster Linie um die Musik und eine leiwande gemeinsame Zeit geht und nicht vorrangig ums Geld scheffeln, was in so einer musikalischen Positionierung ohnehin kaum möglich ist. Und die Szene generell ist auch sehr friedlich, in 13 Jahren war vielleicht 3x die Polizei da. Die meinten auch zu mir, sie seien stolz, dass der Club in ihrem Bezirk ist, die Leut schauen zwar wild aus, wären aber alle extrem freundlich. Das find ich sehr gut!
Als sich Anfang März die Situation aufgrund der Corona-Krise allmählich zuspitzte, hast du schnell reagiert und den Club bereits vor gesetzlicher Anordnung geschlossen. Könntest du uns, natürlich nur, wenn du möchtest, sagen, was genau diese Krise für dich und deinen Club bedeutet?
Ja, die Überlegung war, welchen Sinn es macht, noch 2 Veranstaltungen mit 90 Personen durchzuziehen. Abzüglich Kosten wäre so wenig übrig geblieben, dass das in keiner Relation zur Gefährdung des Personals und der Gäste gestanden wäre. Deshalb hab ich dann gleich beschlossen, nicht mehr aufzusperren.
Für mich persönlich ist das ein absoluter Ausnahmezustand, ich wohn ja über dem Club und bin fast täglich unten, um aufzuräumen, sauber zu machen, all die Sachen, die während einem intensiven Betrieb nicht in der Intensität möglich sind. Aber ich geh auch täglich mit einer kleinen Depression wieder rauf, da grad ein Club wie der Viper Room vor einer völlig unbekannte Zukunft steht, keiner weiß, wie lang das alles noch dauern wird, Unterstützungen vom Staat sind nur sehr spärlich in Aussicht gestellt. Alles in allem ist das eine Situation, die ab und an schon mal ein wenig überfordert. Da ich es mit einem Undergroundclub wie dem Viper Room aber immer schon nicht leicht hatte, werden wir auch das überstehen, ich bin eine Kämpfernatur!Dazu muss ich aber auch feststellen, dass die vielen positiven Nachrichten vieler Gäste auch noch zusätzlich Kraft geben und auch das Personal, das von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts stand, kann es kaum erwarten, wieder zurückzukommen. Das zeigt dann schon, dass wir vieles richtig gemacht haben und dass wir den Leuten genauso sehr fehlen, wie die Leute uns.
Kurz nach der Bekanntmachung der Schließung habe ich auf Facebook mitbekommen, dass viele treue Stammgäste eine Art Spendenaktion gestartet haben, was ich als sehr herzerwärmend empfunden habe. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Die Spendenaktion wurde von den Veranstaltern vom Lewendi, unserer Mittelalter/Metal – Veranstaltung ins Leben gerufen. Anfangs war mir das eher unangenehm, aber wie ich die Reaktionen der Gäste mitbekommen hab, hat es mir definitiv über den ersten Schock, der sich nach der Schließung eingestellt hat, drübergeholfen. Ich hatte das Gefühl, nicht allein dazustehen, wobei ich hier noch feststellen muss, dass mir meine Freundin Nina die ganze Zeit mit voller Kraft und vollem Einsatz zur Seite steht, bei der ich mich auch hier bedanke. Aber ja, das Gefühl, dass mir die Leute helfen wollen und es auch taten, war überwältigend und hatte ich in der Form noch nicht erlebt. Deshalb hier an alle ein riesiges Danke! Und ich hab auch versprochen, dass die Hälfte des Geldes an die Mitarbeiter geht, was dann auch passiert ist. „United we stand“ war das Statement der Spendenaktion und genau dieses Gefühl hatte ich dann auch!
Um die Leute trotz abgesagter Konzerte ein bisschen auf andere Gedanken zu bringen, gibt es seit neuestem regelmäßig Live-Streams auf eurem YouTube Channel. Wie sind diese Streams bis jetzt angekommen?
Die Streams sind recht gut angekommen, bei der letzten 80er Zone hatten wir ca. 120 Zuseher/Hörer, das war für unseren kleinen Rahmen sehr ok. Und ich denke, dass durch den Chat auch ein wenig das Gefühl des gemeinsamen Treffens rüberkommt, was wir alle im Moment gut brauchen können. Ich war noch bei jedem Stream bisher dabei, mit Gin Tonic und Whisky und es war schön, sich mit den Stammgästen wieder unterhalten zu können. Einzig der Rechtescan von Youtube macht alles ein bissl mühsam, im Schnitt wird eine Veranstaltung 2x unterbrochen und man muss einen neuen Stream erstellen. Ich finds ein bissl schade, dass hier nicht lockerer damit umgegangen wird, die Videos liegen ja ohnehin am Youtube Server und man würde den Menschen ein bissl mehr Freude schenken mit den Streams. Aber das kommt ja vielleicht noch…
Sind vielleicht neben den Streams noch andere Schmankerl in Vorbereitung?
Wir sind schon ein wenig eingeschränkt in dem, was wir zur Zeit tun können. Und da sich ja auch die Bands nicht treffen können, wird es schwierig, sich viel anderes einfallen zu lassen, aber man wird sehen, was der kreative Geist so bringen wird. Wir werden auf jeden Fall bald unser Bier loswerden müssen, wenn‘s noch länger dauert, haha…
Normalerweise überlassen wir das Kaffeesudlesen und Vorhersagen den Verschwörungstheoretikern und Sternendeutern. Trotzdem würde ich dich gerne fragen, was du glaubst, wie es nach den Ausgangsbeschränkungen etc. weitergehen wird – in erster Linie mit der Metalszene.
Hier wirklich eine Prognose zu stellen ist natürlich nicht ganz so einfach. Im Moment glaub ich, dass es mit Indoorkonzerten erst frühestens September losgehen wird und da auf nationale Bands beschränkt. Das wird davon abhängen, wie es in den anderen Staaten aussieht, ob Grenzen geöffnet werden, etc. Österreich hat aber eine sehr lebendige Metalszene, es gibt wirklich viele Bands, mit denen man im Grunde schon ein tolles Programm zusammenstellen kann. Das Problem wird sein, dass alle Lokale diesen Weg gehen werden, also Bands, freut euch auf einen anstrengenden Herbst. Aber generell wird dieser kleine Drecksvirus der Metalszene nix anhaben!
Zu guter Letzt: Wie würdest du sagen, sieht die Zukunft des Viper Rooms aus, wenn alles langsam zur Normalität zurückkehrt und wie kann geholfen werden?
Ich hoffe, dass wir diese Zeit durchtauchen können, vieles wird auch von der Unterstützung von Bezirk, Bundesland und Staat abhängen, im Notfall müssen wir eine neue Spendenaktion starten, da es schwierig werden wird, alle Zahlungen aufzuschieben und dann mit eingeschränktem Programm wieder zu starten und vor einem Berg Schulden zu stehen, die uns dann ev. auf Dauer umbringen. Das wird mal die größte Herausforderung. Aber ich denke, wenn sich die positive Stimmung dem Club gegenüber nicht über die Zeit legt, weil die Leut uns vergessen UND der Virus irgendwie in den Griff zu bekommen war, wird das ein toller Herbst mit vielen genialen Partys und Konzerten. Im Grunde hab ich das Gefühl, dass wir noch stärker zurückkommen werden und freu mich schon so sehr drauf, die Tür für die erste Veranstaltung zu öffnen!
Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast!