Ampex – Alles was Du brauchst
Band: Ampex
Titel: Alles was Du brauchst
Label: Rookies&Kings
VÖ: 26. November 2021
Genre: Alternative/Rock/Metal
Ja ja, der Daniel und der Deutschrock:
Diese Beziehung ist im Laufe der Zeit arg auf die Probe gestellt worden. Denn die große Liebe zeichnet sich seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten durch musikalischen Stillstand aus, der durch die unbedingte Erhaltung des status quo geprägt wird. Und wer Neues wagt, ist genauso raus wie jene, welche über den Tellerrand hinausschielen.
Hinzu gesellt sich morbide Lyrik, welche den Zustand der Dekadenz längst hinter sich gelassen zu haben scheint. Dieser Eindruck ist jedoch eher dem Umstand geschuldet, daß man im Sinne der Konformität handelt.
Märtyrersymbolik als Mittel zur Erzeugung einer Massenpsychose um ordentlich Kohle zu scheffeln und Staatstreue unter dem Deckmantel der Revolution bis hin zum offenbaren vorauseilenden Gehorsam prägen die Szene, die wie ein Sumpf erscheint der sich nur allzu gerne selbst austrocknet und dem es nicht schnell genug vonstatten geht.
Deutschrock Revolution komplett anders
Auf die Wurzeln beruft man sich dabei allenfalls musikalisch, Revolution ist insgesamt verpönt, Progressivität per Definition (Altbewährtes weiterzuentwickeln) findet kaum statt. Daher möchte ich vorab das Mantikor-Debüt und die letzten drei Unherz-Scheiben wirklich jedem an das stählernde Herz legen, denn eben solche Kapellen sorgen bei mir dafür, daß meine einstige Flamme zumindest noch glimmt. Und neben Mantikor gab es unter den zahlreichen Veröffentlichungen im vergangenen Jahr auch nur ein Werk, welches dem Begriff Deutschrock gerecht wurde, und dies werde ich Euch nun in einem viel zu langen Text, welcher heutzutage die Aufmerksamkeitsspanne eines ganzen Jahres benötigt, vorstellen. Gehen wir es also an und befassen uns mit dem zweiten Werk der Sauerländer AMPEX.
Und da fällt zuerst ins Auge, daß die Jungs mit Jörg Wartmann (unter anderem Studiomusiker für Helloween) eine ordentliche Referenz vorweisen können. Ins Ohr fällt hier dementsprechend die Mucke des Quartetts, die eine Melange aus oft modern interpretiertem Rock, klassischem Heavy Metal und Punk/Ska – Elementen ist.
Musikalische Zitate auf metaphorischer Ebene
Natürlich sind auch die Böhsen Onkelz (zu E.I.N.S. – Zeiten) ein Einfluß. Allerdings ist dieser nur marginal vernehmbar ( in Alles was Du hast, Herz in Ketten, Gerechtigkeit).
Das Album spiegelt sogar in etwa den ersten Absatz dieser Kritik, musikalisch untermalt mit herrlich absichtlich offenbaren Zitaten, im abschließenden Eine neue Hoffnung wieder.
Eine gottverdammte Achtminutenkotztüte, die simpel und effektiv untermalt auf metaphorischer Ebene zu einem kompositorischen Meisterwerk wächst!
Humoristischer Groove
Doch fangen wir von vorne an. Nach dem soliden Eröffnungsstück (inklusive Standardselbstbeweihräucherung) folgt mit Alles was Du braucht der erste Hammer, und dies
(mit seinem Groove in den Strophen, einem kurzen Solopart vor dem sich jeder Iron Maiden/Thin Lizzy – Fan verneigt und einem Refrain der haften bleibt) nicht nur musikalisch. Textlich vordergründig als Drogenkritik, führt man die szeneübliche Dummenfängerei sarkastisch mit den Mitteln vor, die den Deutschrocktroll sonst nur allzu leicht mitnehmen. Humor hat man also.
Die Ballade 1000 Gräber ist dagegen wirklich zeitlose Epik, die sowohl 1648, 1866, 1918 oder 1945 passend umschreibt, weil man fließend wandelnd zwischen Protagonist und Sachlichkeit am Rande der Grenze zur Auktorialität, dem Hörer nichts aufdrückt.
Verloren in der Ewigkeit, Alles wird gut (Zeilen wie „Wenn du wieder versagst, dann fängst du halt von vorne an, der Glaube überlebt.“ sind ein offensichtlicher Arschtritt an die Rattenfängerei der Musikindustrie) und Herz in Ketten dafür Ohrwürmer vor dem Herren, die auf Endlosschleife im Radio laufen müssten.
Musikalisch harsche Kritik an die Medien
Werden sie wohl aber nie, denn mit den Protestliedern Elend und Leid, welches nicht nur mit harscher Kritik an den Medien, sondern auch an ihren Konsumenten aufwartet („Schimpft euch selber investigativ, stets in aller Munde tragt ihr sie ins Volk, die Kunde unbestritten, erklärt ihr uns die Welt. Predigt eure Sagen, es wird niemand hinterfragen…“) und Wir sagen nein,
welches sich kritisch aus Sicht der normalen Arbeiter an die Elite richtet („Alleine würdet ihr verhungern und erfrier’n, ein Master an der Wand, doch leider fehlt das Hirn.“) gewinnt man im freisten Deutschland aller Zeiten kommerziell natürlich keinen Blumentopf .
Der Albumtitel ist durchaus Programm
ALLES WAS DU BRAUCHST macht seinem Namen also durchaus alle Ehre, ist musikalisch spannend, textlich nicht aufdringlich, trotzdem heutzutage beinah schon mutig und ohne Schwächen, auch wenn es mit dem als Lückenfüller anmutenden Lass mich fliegen (der bei anderen Bands ein Höhepunkt wäre!) ein wenig mehr gibt, als man bräuchte.
Sogar mit dem Ska-lastigen Sauflied Wieder an der Theke (ob hier Klassentreffen oder das nächste Konzert 2345 gemeint ist?) regt man mit Textstellen wie „Wenn Träume wieder wachsen lernen, spürst Du, dass du lebst.“ und „Man lernt zu schätzen, was man hatte, ist es nicht mehr da.“ zum Nachdenken an.
Tja, der Daniel und der Deutschrock:
Meistens könnte ich heulen vor Verzweiflung und Zorn angesichts der vielen grottigen Alben die wie Scheiße auf den Markt geworfen werden, weil der Konsument diese auch noch frißt.
Aber ganz selten weine ich auch mal, sowie in diesem Fall, nämlich abwechselnd vor Rührung und vor Freude.
ALLES WAS DU BRAUCHST von AMPEX ist neben Momentaufnahme nicht nur eines der besten Deutschrock-Alben des Jahres, sondern was Text und Ton anbelangt sind diesbezüglich beide das momentane Maß aller Dinge. In diesem Sinne:
„Punk ist lange nicht gestorben,
Rock ist lange noch nicht tot!
Doch erlebt er keinen Morgen,
wenn nur noch der Mainstream tobt!“
Tracklist
01. Ampex ist zurück
02. Alles was du brauchst
03. 1000 Gräber
04. Verloren in der Ewigkeit
05. Wieder von der Theke
06. Elend und Leid
07. Herz in Ketten
08. Was mir fehlte
09. Alles wird gut
10. Wir sagen nein
11. Wärst du noch hier
12. Gerechtigkeit
13. Lass mich fliegen
14. Eine neue Hoffnung
Besetzung
Moritz Homrighausen – Gesang, Gitarren
Felix Kuhn – Gitarren
Siegfried „Siggi“ Zellner – Bassgitarre
Dominik Strackbein – Schlagzeug