

Willkommen, Apocalypse Orchestra! Ich freue mich, dass ihr hier seid. Euer neues Album, „A Plague Upon Thee“, hat bereits für viel Aufsehen gesorgt. Es ist eine faszinierende Mischung aus mittelalterlichem Folk und Doom Metal, mit Themen, die sowohl historisch als auch, überraschenderweise, zukunftsorientiert sind. Könnt ihr uns etwas über das Kernkonzept des Albums erzählen?
Erik: Hallo und vielen Dank! Wir setzen unsere Reise durch die mittelalterliche Welt fort, und wie immer sind wir bestrebt, Geschichten über einige der weniger bekannten Phänomene dieser Zeit zu erzählen. Wir versuchen auch immer, in die Rolle des Beobachters zu schlüpfen und zu beschreiben, was in einer bestimmten Zeit, bei einem bestimmten Ereignis und aus der Sicht der Menschen, die in die Geschichten, die wir erzählen, involviert sind, geschehen ist. Wie die Titel schon andeuten, haben natürlich einige Lieder und vielleicht auch das Gesamtthema einen Bezug zu tatsächlichen Ereignissen, wie dem Schwarzen Tod. Andere hingegen möchten wir dem Hörer zur Interpretation überlassen!
Euer neuestes Album ist ein kraftvolles, heroisches Album. Was hat euch dazu inspiriert, Songs für das Album zu schreiben und warum habt ihr euch entschieden, mittelalterlichen Folk und Doom Metal in der Komposition zu vereinen?
Andreas: Die Entscheidung, mittelalterliche Melodien mit langsamerem Metal zu mischen, fiel schon ganz am Anfang, als die Band gegründet wurde. Wir machen also im Grunde nur da weiter, wo wir mit dem ersten Album aufgehört haben. Ich denke, wir alle haben unterschiedliche Inspirationsquellen, und für mich könnte das alles sein, von symphonischem Black Metal bis hin zu progressiver Musik. Aber die eigentliche mittelalterliche Musik wird immer etwas sein, das uns beim Schreiben inspirieren wird.
Die Songs scheinen ein starkes Gefühl für das Mittelalter zu vermitteln. Welche Art von historischer Recherche habt ihr während des Schreibens von „A Plague Upon Thee“ betrieben, und wie habt ihr eure Erkenntnisse in die Musik und die Texte umgesetzt
Andreas: Das kann alles sein, von Geschichtsbüchern über Dokumentationen bis hin zu Artikeln im Internet. Wenn wir über ein Konzept stolpern, das zur Band zu passen scheint, versuchen wir, einen Blickwinkel zu finden und die Texte aus dieser Perspektive zu schreiben. Auch wenn unsere Texte, wie Erik bereits erwähnt hat, Beobachtungen sind, versuchen wir dennoch, dass die Texte eine Geschichte erzählen.

Gibt es bestimmte historische Figuren oder Ereignisse, die als besondere Inspirationspunkte für die Texte und die Musik von „A Plague Upon Thee“ dienten?
Erik: Nun, ja. Nicht eine bestimmte Person, sondern eine kleine Gruppe von Menschen. In dem Lied Anchorhold erzählen wir die Geschichte der Anchorites, Menschen, die sich aus religiösen und frommen Gründen in kleinen Tür-losen Räumen in einer Kirche oder einem anderen heiligen Gebäude isolieren ließen. Dort bestand ihr einziger Kontakt zur Außenwelt durch einen kleinen Spalt, durch den die Menschen kommen und zu oder mit dem Verankerten beten konnten. Sie wurden zu so etwas wie einer lebenden Reliquie innerhalb der Mauern. Manchmal wurden sie auch zu einer Person, bei der viele die Beichte ablegten und die so etwas wie eine Klatschzentrale im Dorf oder in der Stadt darstellte!
Das mittelalterliche Setting ist in eurer Musik sehr offensichtlich, sowohl in der Instrumentierung als auch im lyrischen Inhalt. Wie geht ihr an die Vermischung dieser scheinbar so unterschiedlichen Genres wie Mittelalter-Folk und Doom Metal heran?
Erik: Wir schreiben beide unsere eigenen Melodien, die so klingen, als ob sie aus dem Mittelalter kämen, und wir verwenden auch tatsächliche Melodien aus dem 10. bis 14. Wir lassen uns viel von historischer Musik inspirieren, sowohl beim Schreiben unserer eigenen Stücke als auch bei den Arrangements. Unseren eigenen Melodien liegt meist ein direkter Gedanke für einen bestimmten Teil eines Liedes zugrunde. Die historischen Elemente sind aber eher wie ein Puzzle. Wir haben früh bemerkt, dass sich das Gefühl, das man beim Hören einer mittelalterlichen Melodie hat, ändern kann, wenn man das Tempo ändert oder das Instrument, auf dem sie gespielt wird. Meistens gefiel uns der Klang und das düstere Gefühl vieler alter Melodien, wenn wir sie verlangsamten. Das wurde schon früh zu einem Hauptbestandteil unseres Sounds und hat sich auch auf die Art und Weise ausgewirkt, wie wir von da an unsere eigenen Originalmelodien komponieren. Ich möchte auch betonen, dass wir die Vergangenheit oder den Ursprung der Geschichte von mittelalterlichen historischen Liedern und Melodien nicht respektieren. Wir geben ihnen lediglich eine moderne Interpretation. Wir wollen sehen, ob wir bei unseren Zuhörern ein bestimmtes Gefühl hervorrufen können, wenn wir eine veränderte Melodie mit unserem ansonsten modernen Sound verschmelzen.
Die Anti-Kriegs-Botschaft ist auf dem Album sehr präsent. Inwiefern glaubst du, dass das mittelalterliche Setting, kombiniert mit der Härte des Doom Metal, diese Botschaft verstärkt?
Andreas: Ich glaube, bei uns ist es genau andersherum. Wir fangen fast immer mit der Musik an und versuchen dann, einen Text zu schreiben, der zu dem jeweiligen Song passt. Da unsere Songs eher langsam und düster sind, neigen wir dazu, Texte zu schreiben, die sich mit dunkleren Themen beschäftigen. Und da bewaffnete Konflikte im Mittelalter recht häufig vorkamen, ist es für uns ganz natürlich, diese Themen in den Texten zu behandeln.

Könnt ihr uns ein konkretes Beispiel nennen, wie ihr diese Themen in eure Musik integriert habt?
Andreas: Nun, Theater of War von unserem ersten Album dürfte das offensichtlichste Beispiel sein. Und es gibt einige Anspielungen darauf in Tempest auf diesem Album.
Könnt ihr über euren kreativen Prozess für die Songs sprechen? Habt ihr mit den Texten oder der Musik angefangen und wie haben sich die Songs während ihrer Entstehung entwickelt?
Erik: Meistens kommt die Musik zuerst, auch wenn wir vielleicht ein Thema, ein bestimmtes Ereignis oder eine Geschichte haben, die wir erzählen wollen, sogar einen Arbeitstitel, die eigentlichen Texte kommen meist später. Ein normaler Anfang für eine Komposition könnte so aussehen: Wir haben eine Idee für eine bestimmte Art von Geschichte. Mikael ist ein Meister, wenn es darum geht, gute Melodien zu kreieren, und er kreiert sie dutzendweise und schickt sie dann oft zu mir. Ich gehe dann sofort in den Analysemodus über. Ich höre mir die Melodie in meinem Kopf an und versuche herauszufinden, welche Art von Arrangement passen würde, und dann machen wir Demos von diesen Arrangements. Dann trägt die gesamte Band zum Puzzle bei, indem sie Dinge verschiebt, verschiedene Tempi und Tonarten ausprobiert, weitere Teile und Melodien macht, wir beginnen herauszufinden, was bestimmte Teile sind, ob sie eine Strophe oder ein Refrain sind. Irgendwann steuert jeder mehr und mehr bei, fügt weitere Melodien hinzu, verändert die Arrangements, trägt zum Ganzen bei. Auf dem Weg dorthin fangen wir an, die Texte zu schreiben, und am Ende kommen die endgültigen Stücke von Musik und Text oft zur gleichen Zeit zusammen!
Was hofft ihr, dass die Hörer von „A Plague Upon Thee“ mitnehmen werden?
Erik: Dass es selbst in den dunkelsten Zeiten noch Hoffnung gibt. Sogar am Rande der Apokalypse kann es noch Schönheit geben.
Gibt es Pläne für eine Tournee – wird es eine Möglichkeit geben, euch in nächster Zeit in Österreich zu sehen?
Erik: Im Moment ist keine Tournee geplant. Wir würden aber sehr gerne nach Österreich kommen, da wir wissen, dass wir dort viele Zuhörer haben, die uns seit vielen Jahren anfeuern!
Nun, das war’s für heute. Vielen Dank, dass ihr eure Vision und Kreativität mit uns teilt. Vielen Dank für eure Zeit und den Einblick. „A Plague Upon Thee“ ist ein wirklich einzigartiges und zum Nachdenken anregendes Album. Wir wünschen euch alles Gute.
Erik: Wir sind es, die Danke sagen sollten. Wir hoffen, dass euch allen unser neues Album gefällt, und wir hoffen auch, euch auf einem zukünftigen Konzert zu treffen. Vorzugsweise nicht zu weit in der Zukunft!