EÏS, früher als GEÏST agierend, haben mich mit deren neuer Platte „Bannstein“ derart gefangen genommen, dass ich dieses Meisterwerk nun ständig im CD-Player auf – und abhören muss. Das Album wurde am 02.10.2015 über Lupus Lounge veröffentlicht und ich lege es jedem Hörer mit gutem Geschmack ans Herz, es sich offiziell zu kaufen. Während und nach der Review Session hatte ich aber schon so einige Fragen, die mir ALBOIN, Kopf der Band EÏS auch gerne beantwortet hat.
„Es steckt im Großen und Ganzen dasselbe drin, aber die Verpackung wird je nach Stimmung und Zeit ein wenig angepasst.“ – ALBOIN/EÏS
Mayhemer: Hallo Alboin. Zuallererst mal: Wie geht es dir bzw. dem Rest der Band?
Alboin: Hi Martin. Danke der Nachfrage. Mir geht’s ganz gut, für den Rest der Band kann und möchte ich nicht sprechen, wir haben uns seit dem Ende unserer Tour am 11.10. auch nicht mehr gesehen.
Mayhemer: Gratulation zum neuen Album Bannstein. Wie bist du persönlich damit zufrieden?
Alboin: Bis jetzt bin ich sehr zufrieden damit, obwohl die Aufnahmen auch schon wieder fast vier Monate zurückliegen und ich viel Zeit hatte, über das Album nachzudenken. Normalerweise findet man immer Details, die man gerne noch ändern möchte, zudem wir die Produktion sehr spontan angegangen sind und dann auch alles so gelassen haben, wie es entstanden war. Bei „Bannstein“ ist mir das das erste Mal nicht so gegangen, dass ich hinterher latent unzufrieden war, und das kann nur ein gutes Zeichen sein.
Mayhemer: Die Kritiker sind sich ja derzeit durchwegs einig, dass es ein sehr, sehr gutes Album geworden ist… Überhaupt finde ich, dass es ein Meisterwerk der Kompositionskunst geworden ist, dass so nicht alle Tage geschrieben werden kann.
Alboin: Ich kann dir nur für deine Meinung danken! Wie gesagt bin ich selbst sehr zufrieden mit dem Album und auch mit den Songs und ihrer Machart im Einzelnen. Allerdings bin ich kein Mensch, der sich selbst hinstellt und von seinem eigenen Werk als „Meisterwerk der Kompositionskunst“ sprechen würde, sowas liegt mir fern. Überhaupt habe ich Komponieren niemals gelernt und gehe da rein intuitiv und emotional vor. Das einzige an deiner Aussage, dem ich vorbehaltlos zustimmen möchte ist, dass ich das Album für relativ einzigartig halte. Stilistisch und in seinem Ausdruck wüsste ich kein Album, an das mich „Bannstein“ konkret erinnert.
Apropos neues Album. Welche Geschichte steckt hinter dem Album? Gibt es einen Roten Faden, ein Konzept? Lass uns teilhaben, bitte.
Das ist eine sehr komplexe Sache, und ich möchte jeden Leser ermutigen, sich mit dem Thema und Konzept des Albums selbst zu befassen. Meine Erfahrung ist, dass jeder Hörer das Album in anderen Facetten wahrnimmt, und das möchte ich nicht durch allzu viel Vorinterpretation hemmen, weil ich selbst gerade so etwas am Erschließen eines Albums mag.
Grundsätzlich ist „Bannstein“ ein Album über das Überschreiten von Grenzen, eigenen und fremden, selbst gesetzten und von äußeren Umständen bestimmten. Es ist ein Album über die Flucht, über die Unmöglichkeit der Flucht, und es berührt unter der Oberfläche einer Geschichte über eine Gruppe von Individuen, die aus einer beengenden Stadt in eine warme, herbstliche Natur flüchten, sehr viele persönliche und bestimmt auch gesellschaftliche Themen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Wie viel man daraus lesen will, kann jeder selbst entscheiden.
Wie kommst du auf die Geschichten, deine Erzählungen? Gibt es dafür gewisse Auslöser oder hast du regelmäßig Geistesblitze?
Das frage ich mich manchmal selbst. Genau genommen weiß ich es nicht. Kreativität ist eine ziemlich undurchschaubare Sache für mich. Manchmal reicht ein Wort, ein Gedanke, ein Gespräch, manchmal inspirieren mich Bücher, Filmdokumentationen, Bilder, manchmal muss ich um Inspiration kämpfen. In letzter Zeit inspiriert mich das Nachdenken über mich selbst und die Menschen, die mich umgeben, und die Erfahrungen, die ich damit mache. Das Leben bietet unendliche Möglichkeiten, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, man muss es nur wollen.
Wie schreibst du Musik? Fällt dir spontan eine Melodie ein? Oder…
Nein, spontan entsteht Musik bei mir so gut wie nie. Meistens spiele ich so lange herum, bis mich selbst etwas von dem, was ich spiele, packt – das kann manchmal die kleinste Melodie sein oder nur ein Akkord, den ich dann gedanklich entfalte, mit dem ich arbeite, den ich verändere. Das sicherste Zeichen, dass etwas entsteht, das mir entspricht und das ich mag ist, dass es mich selbst berührt, dass ich es mir merken kann, dass es sich festsetzt. Musik am Reißbrett oder in den Grenzen der Musiktheorie kann ich nicht komponieren. Wenn ich so einen Anfang aber einmal habe, kann daraus auch in wenigen Stunden ein Song entstehen, das ist, wie gesagt, manchmal völlig undurchschaubar.
Dein Dauerproduzent ist Markus Stock aus dem Studio E…
Markus ist durch die Jahre nicht nur Produzent unserer Alben geblieben, sondern es verbindet uns ein durchaus freundschaftliches Verhältnis, das die Arbeit im Studio höchst angenehm und produktiv macht. Wir haben ein sehr ähnliches Empfinden von Musik, eine ähnliche musikalische Sozialisation, und auch abseits der Musik das ein oder andere gemeinsam. Das wirkt sich meinem Empfinden nach auch sehr auf die Qualität der Produktion aus, alleine deshalb, weil Markus sehr gut versteht, was ich ausdrücken möchte.
Mal die Idee gehabt, den Produzenten zu wechseln, um eine andere Sicht auf deine/eure Musik zu erhalten. Ich meine, entsteht hier nicht manchmal eine gewisse „Betriebsblindheit“? Und falls ja, wie wird das Problem dann gelöst?
In gewisser Weise mag man manchmal betriebsblind werden, ja. Bisher sehe ich das Problem aber konkret nicht, Markus‘ Produktionen halten locker internationalen Standard in diesem Genre und führen ihn in vielen Aspekten sogar an, und er ist Profi genug, sich auch selbst zu reflektieren. Wir haben beide ein sehr ähnliches Gefühl dafür, wenn etwas in der Produktion einfach nicht passt und können da auch ehrlich miteinander umgehen und eine Lösung finden.
Für mich gibt es absolut keinen Grund und auch nicht den Wunsch, den Produzenten zu wechseln, aus den oben genannten und vielen weiteren Gründen. Wir sind keine Band, die im Rampenlicht der Welt steht und sich Namen wie Rick Rubin auf einen Coveraufkleber drucken lassen muss, um noch mehr wahrgenommen zu werden. Uns geht es um Qualität und um Emotion, und die bekommen wir im Studio E so, wie wir es uns wünschen.
Der einzige Produzent, der mich wirklich reizt, ist Jens Bogren. Ich mag seine Produktionen sehr, bin mir aber auch nicht sicher, ob ein EIS-Album mit Bogren-Produktion noch ein EIS-Album wäre. Abgesehen davon würde Jens Bogren für das Geld, das eine Studio E-Produktion mit EIS kostet, gerade mal seinen Bürostuhl auf die optimale Höhe einstellen und Kaffee kochen, und das ist mir die Neugier nicht wert.
Zwischen „Bannstein“, „Wetterkreuz“, „Galeere“ und überhaupt allen Alben ist für mich der größte Unterschied, abgesehen von den Geschichten, der Sound. Das neueste Werk geht meiner Meinung nach, eindeutig weg vom Underground Black Metal. Er wird auf die nächste Stufe geholt und geht schon in die Richtung „Masse“? – Was ich jetzt nicht schlecht finde.
Masse finde ich sehr relativ und im Kontext mit der „Bannstein“-Produktion ein wenig übertrieben. Ich verstehe aber, was du meinst. Die Produktion ist zeitlos gehalten, sie ist druckvoll, ausgeglichen und enthält viele klassische Metalelemente, zumindest im Sound. Vor allem ist sie keine Black-Metal-Produktion, wie man sie sich vorstellt, was mir gerade sehr gut gefällt. Wir lernen mit jedem Album dazu, und jedes Album erfordert auch wieder eine andere Herangehensweise daran, wie man es aufnimmt. Das ist in etwa so, wie sich für verschiedene Anlässe im Verlauf seines Lebens verschieden zu kleiden. Es steckt im Großen und Ganzen dasselbe drin, aber die Verpackung wird je nach Stimmung und Zeit ein wenig angepasst.
Auch das Songwriting hat sich stark verbessert und ist überhaupt hervorragend. Die Songs sind eingängiger, vielseitig und leichter „im Abgang“….
„Dieser Song schmeckt etwas rombenförmig, aber er ragt weiiit in den Hals hinein!“, genau. 😀
Vielen Dank für das Lob. Ich empfinde das Songwriting auch als runder, geschliffener und eingängiger, obwohl es das bei näherem Hinschauen im Vergleich zu „Wetterkreuz“ vermutlich gar nicht unbedingt ist. Im Direktvergleich mit dem Vorgängeralbum fällt aber natürlich auf, dass ich bei „Bannstein“ weniger roh vorgegangen bin, was insgesamt in zum einen weniger schnellen, zum anderen auch weniger giftigen Songs resultiert. Dadurch, dass eine Geschichte erzählt wird, muss für mich auch jeder Song eine andere Atmosphäre haben, gleichzeitig aber Teil des Gesamtalbums sein, was eine ganz schöne Herausforderung war.
Im Vorfeld der Veröffentlichung von „Bannstein“ habt ihr euer „Wetterkreuz“ verbrannt. Symbolisch für das neue Album, einer neuen Ära?
Ja, natürlich, für uns sollte das der Abschluss eines Bandabschnitts sein. Wir haben uns zumindest alle Mühe gegeben, es zu verbrennen, aber das Ding scheint hartnäckig zu sein und hat sich nicht einfach verbrennen lassen. Es existiert noch, etwas verkohlt, geruchlich durchaus interessant, aber alles in allem scheint „Wetterkreuz“ nichts zu sein, das man so einfach hinter sich lassen kann (was ich übrigens auch gar nicht möchte).
Anderes Thema. Ihr wart auf der „Lex – Talionis Tour. Wie war´s? Und sind noch mehr Live – Aktivitäten geplant? Habt ihr euch ein Keyboard für Salzburg ausleihen können?
Die Tour war insgesamt eine herausfordernde Erfahrung für alle, möchte ich sagen, wie das eben so ist, wenn ein knappes Dutzend Musiker knapp zwei Wochen zusammen in zwei Autos eingepfercht sind. Insgesamt hat’s aber durchaus Spaß gemacht und war eine erfolgreiche Tour für alle. Besonders habe ich mich gefreut, dass GRIFT aus Schweden dabei waren, die sehr sehr nette Menschen und exzellente Musiker sind. Wir haben jetzt erstmal wenig bis keine Liveaktivitäten vor uns, in diesem Jahr nichts mehr und im nächsten ist ein bisschen was in der Pipeline, aber bis auf das Ragnarök-Festival noch nicht konkret.
Dass in Wien unser Keyboard den Geist aufgegeben hat, war extrem unglücklich, aber so ist das eben auf einer Tour. Schade war, dass wir den Gig ohne Keyboard spielen mussten, aber für die folgenden Konzerte konnten wir dann zum Glück eine Lösung finden, ja. Übrigens sehr geil, wie hilfsbereit unsere Fans sind, vielen Dank!
Auf eurer Facebook Page konnte ich lesen, dass ihr das Konzert in München filmen habt lassen. Ich hoffe, es war ein voller Erfolg. Wisst ihr schon, was ihr mit dem Material anfangen werdet? Also, in einem offiziellen Video verwenden oder ein Live Video machen?
Ehrlich gesagt haben wir das Material noch gar nicht, ich habe noch gar nichts davon gesehen oder gehört. Dann wird sich auch zeigen, wie erfolgreich das war, denke ich. Woran ich mich vor allem erinnere ist, dass das Münchener Publikum es in Songpausen tatsächlich geschafft hat, sämtliche Intros usw. mit ungenierten lauten Gesprächen zu übertönen. Vielleicht sollte man mal eine DVD machen, in der die Gespräche im Publikum genauso laut gemischt werden wie der Sound der Band, stelle ich mir durchaus interessant vor.
Was wir mit den Aufnahmen machen, wissen wir noch gar nicht. Das hängt zum einen sehr von der Qualität ab, zum anderen auch von den Ideen, die wir dann haben und auch von der Zeit, etwas damit anzufangen. Die Bearbeitung ist ja letztlich das, was dann die Arbeit macht.
Zum Ende des Interviews hin wollte ich noch wissen, was ihr euch dabei gedacht habt, mit verschiedenen Interpreten auf dem Bonusmaterial von „Bannstein“ zu arbeiten? Was war der Grund? Ich meine, es handelt sich ja nicht unbedingt um die Größen der Szene bzw. um die üblichen Verdächtigen, also kann ich, aus meiner Sicht, „Namedropping“ ausschließen…
Hoffentlich kannst du das, das liegt uns nämlich völlig fern. Es ging uns um einen künstlerischen Ansatz, einfach mal zu schauen, was andere Sänger mit mehr stimmlichen Möglichkeiten als ich selbst mit unseren Songs und Texten anfangen, wie sie sie empfinden, wie sie sie umsetzen. Die Sänger kannten die Originalsongs vorher nicht, weil sie zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht fertig waren. Das Ergebnis finde ich wesentlich beeindruckender, als es wäre, wenn man sich dafür emotional völlig unbeteiligte Leute einkaufen würde. Sänger wie Norax von Lux Divina, Fjalar von Istapp, Erik von Grift oder Skaldir von Hel sind so unfassbar großartige Künstler, dass man das einfach gehört haben muss, finde ich.
Letzte Worte?
Noch hoffe ich, ein paar Jahre zu leben.
Das hoffen wir natürlich auch! Wir wollen ja noch viele gute Alben von EÏS hören…
Ich möchte mich im Namen des Metalunderground.at für die Geduld und die investierte Zeit bedanken. Rock on
Vielen Dank für eure Unterstützung und viel Erfolg mit eurem Magazin
Dank gebührt!