Area 53 Festival, 14.-16. Juli 2022, Leoben
Wie gut muss ein Festival sein, damit sogar Jesus persönlich vorbeischaut? So gut wie das Area 53 im wunderschönen Leoben! Drei Tage gefüllt mit grandioser Musik, tollem Wetter und wundervollen Menschen sind im Nu vergangen. Was bleibt, sind lebhafte Erinnerungen an eine großartige Zeit, die sich zwischen den Burgmauern abgespielt hat.
Zu aller erst muss erwähnt werden, dass das Festival einwandfrei organisiert war. Ich habe zu keinem Zeitpunkt auch nur ein schlechtes Wort über die Organisation gehört, weder von Fans noch von Bandmitgliedern. Die Location ist überschaubar und wirkt gemütlich mit zahlreichen Sitzmöglichkeiten in schattigen und sonnigen Plätzchen. Es gab keine endlosen Warteschlangen, wenn man essen, trinken, Merch kaufen, oder aufs Klo gehen wollte, was super angenehm war. Positiv überrascht war ich von den „Öklos“, den Plumpsklos. Normalerweise drängt einen der Gedanke, so ein Klo benutzen zu müssen, förmlich dazu, das Wasserlassen so lange aufzuschieben, bis es wehtut. Aber die Öklos und die Wasserpumpen mit Bioseife haben diesen Alptraum zunichte gemacht.
Backstage herrschte harmonisches Treiben. Änderungen im Tages-Line-Up brachten die Crew nicht ins Schwitzen. Es schien alles am Schnürchen zu laufen und mir ist kein einziges Mal aufgefallen, dass eine Band extrem verspätet die Bühne betrat. Ein paar Problemchen mit dem Sound sind mir schon in Erinnerung geblieben, aber sowas ist unvermeidbar!
Um 23:00 hieß es an allen drei Tagen Sperrstunde. Wer weiterfeiern wollte, begab sich in die Tenne nebenan im Backstage-Bereich, der dann zum Säufer-Bereich mutierte. Die Tenne hat sich als das Las Vegas von Leoben entpuppt: Was in der Tenne passiert, bleibt in der Tenne! Erinnern könnte man sich sowieso nicht mehr an viel, wenn man’s mal rausgeschafft hat…
Tag 1: Eine große Portion Power Metal mit einer Prise Thrash
Als waschechte Leobener hatten die Jungs in VEINS OF SUFFERING die Ehre, den offiziellen Start des Festivals einzuleiten. Allzu viel habe ich leider nicht von der Band mitbekommen, weil ich mittendrinnen angekommen bin und mich einmal zurecht finden musste.
Beim Gig von BLACK INHALE hat man gemerkt, dass die Thrasher aus Österreich bereits einigen bekannt waren. Die Anzahl an Leuten, die vor der Bühne standen, war zwar überschaubar, aber die Musik dürfte gut angekommen sein, weil viele gefesselt den Kopf zum Rhythmus bewegten und Beifall klatschten.
Danach gab’s für mich persönlich einen langen Durchhänger, weil weder DRAGONY, noch SERIOUS BLACK, AD INFINITUM oder FINNTROLL meinen Geschmack trafen. Allerdings muss man den Bands lassen, dass sie das Publikum gut mitgerissen haben und die Stimmung dank ihnen immer ausgelassener und fröhlicher wurde. Eigentlich hätten auch die schwedischen Rockerinnen in THUNDERMOTHER spielen sollen, aber ihr Auftritt musste abgesagt werden. Mit voranschreitender Zeit ist die Location immer voller geworden, wobei der Platz nie bis ganz hinten vollgestopft mit Menschen war.
Der Auftritt von SEPULTURA war an diesem Tag mein persönliches Highlight. Es war toll zu erleben, wie viel Freude und Energie die Herren auf der Bühne versprüht und ans Publikum weitergegeben haben. Außerdem fand ich es super, dass ich nach meiner Foto-Session problemlos in die erste Reihe gekommen bin und am Ende sogar ein Plektrum abgesahnt habe.
Zu guter Letzt hießen wir BLIND GUARDIAN willkommen. Ich kann mit der Musik nichts anfangen, deswegen war ich froh, als es vorbei war. Dafür war es schön zu beobachten, wie sehr die Fans das Konzert genossen haben. Manche hatten sich ein Ein-Tages-Ticket nur wegen BLIND GUARDIAN gekauft, also waren sie wohlverdient Headliner an diesem Abend. Ich konnte die Euphorie allerdings überhaupt nicht nachvollziehen und war enttäuscht von der faden Bühnenpräsenz.
Tag 2: Lederhosen, Nieten und Brustpanzer
Am zweiten Tag gab es wieder eine kleine Änderung im Line-Up: XENOS konnten es nicht rechtzeitig nach Leoben schaffen, haben dafür aber am nächsten Tag als erstes gespielt!
Somit waren VERTILIZAR die Glücklichen, die uns in die zweite Runde katapultieren durften. Ihre Show haben sie mit „Holding out for a Hero“ von Bonnie Tyler eingeleitet, was für schmunzelnde Gesichter gesorgt hat. VERTILIZAR haben eine gute Balance zwischen Metalcore und Melodik geschaffen, die beim Publikum und auch bei mir gut angekommen ist. Die Burschen waren voller Energie; gerade den Schlagzeuger zu beobachten hat viel Spaß gemacht, weil er es sichtlich genossen hat. Ihr Cover von Amy McDonald’s „This is the Life“ gegen Ende hat mir gut gefallen. Ein schlauer Schachzug, um die Leute mitzureißen und aufzulockern.
Danach haben DARKFALL die Bühne erklommen und man hat sofort gemerkt, dass die steirischen Thrash-Heads bereits vielen bekannt waren. Dafür, dass es gerade mal der zweite Auftritt war, standen vergleichsweise viele Leute vor der Bühne und erfreuten sich an ihrer Performance. Die ersten drei Lieder waren weniger mitreißend, dafür sorgte „Tides of War“ für umso mehr Begeisterung beim Publikum. Beim letzten Titel „Ride Through the Sky“ gab’s dann sogar einen kleinen Mosh Pit. Insgesamt ein solider Auftritt von DARKFALL mit viel Publikumsinteraktion und ausgiebigen Reparatur-Gösser-Duschen.
Wenn Österreicher Metal machen, sollten einen Bandmitglieder mit Lederhosen und langen weißen Strümpfen nicht schockieren, oder? TUXEDOO haben aber noch einen draufgelegt mit ihrer Rap-Einlage und den Fässern, die als zusätzliche Drums verwendet worden sind und sofort an SLIPKNOT erinnert haben. Obwohl ich wahrscheinlich deren Musik im täglichen Leben nie hören würde, fand ich die Show von TUXEDOO extrem gut: es war überaus amüsant und unberechenbar. Einmal kam jemand als Krampus verkleidet auf die Bühne, dann ein stage-divender Party-König mit zu knappem Oberteil und Neon-Hosen… Fad wurde es nicht!
Nach dieser witzigen Darbietung stürmten SUICIDAL ANGELS die Bühne – eine der Bands, auf die ich mich am meisten gefreut hatte. Ein bisschen mehr Interaktion mit dem Publikum und Dynamik seitens der Band hätte ich mir gewünscht. Ansonsten hat der Auftritt höllisch viel Spaß gemacht und meine Nackenmuskeln ordentlich beansprucht.
Bis zu dem Zeitpunkt war das Line-Up der Wahnsinn – dann waren INFECTED RAIN an der Reihe. Mit der Band habe ich noch nie etwas anfangen können. Die klitzekleine Hoffnung, dass sie live besser auf mich wirken könnten, war im Handumdrehen verpufft. Die Fans haben es logischerweise geliebt – mir war es zu langweilig.
Ähnlich ging es mir mit WARKINGS, wobei hier die Stimmung um einiges besser war und ich die Interaktion mit dem Publikum gut fand. WARKINGS sind eine typische Show-Band, die mit vielen visuellen Reizen ihre Musik aufpeppt und gut darin sind, Leute mitzureißen. Eine Wall of Death gab es zu irgendeinem Zeitpunkt auch, also hatten wenigstens die Leute ihren Spaß!
Meine Erwartungen bezüglich DEATH ANGEL wurden dafür sowas von übertroffen! Ich fand die Show extrem mitreißend, weswegen ich mich beim letzten Lied voller Freude in den Mosh Pit gestürzt habe. Gegenüber ACCEPT hatte ich gemischte Gefühle, aber auch hier wurden meine Erwartungen übertroffen. Ich hatte keine Ahnung, wie ACCEPT live sein würden, daher war ich umso glücklicher, dass die Band mit vollem Elan bei der Sache war und sich diese Lebensfreude auf das Publikum übertragen hat. Ihr Konzert hat sich wie eine einzige lange Party angefühlt, die unbedingt in der Tenne fortgesetzt werden musste.
Tag 3: Weihwasser aus dem Gartenschlauch
Am letzten Tag holten XENOS ihren Auftritt nach, den sie eigentlich am Tag davor gehabt hätten.
Anschließend betraten EBONY ARCHWAYS die Bühne mit einem altbekannten Gesicht (bzw. altbekannter Maske): Gitarrist Stephan von DARKFALL. Die Bühnendekoration wirkte nicht allzu stimmig, die Totenköpfe am Mikrofonständer erinnerten mich sofort an DEBAUCHERY, aber rein akustisch gefiel mir die Performance. Es wurde mal nicht permanent geschrien, dafür gab Michel seinen rauen Gesang zum Besten. Die Leute ringsherum dürften die Musik ebenfalls genossen zu haben.
THE LEGION GHOST mischten als nächstes die Bühne auf. Für mich gab es keinen Grund, der Band weiter zuzuhören, nachdem ich meine Fotos gemacht hatte, weil es gar nicht mein Geschmack war. Sie hatten zwar sichtlich Spaß auf der Bühne und hatten eine sympathische Ausstrahlung, aber für mich war es nur belangloses Metalcore-Rumgehüpfe.
Nach diesem ernüchternden Auftritt ging ich den Akku meiner Kamera aufladen. Von CHAOSEUM habe ich deswegen leider keine Fotos machen können. Ich hatte mich gefreut, CHAOSEUM live zu sehen, weil ich die Band nicht schlecht fand. Allerdings hielt sich meine Euphorie in Grenzen, sobald die Schweizer das erste Lied angespielt hatten. Ich hatte mir mehr Interaktion und Energie seitens der Band gewünscht. Die Aufforderung vom Sänger, sich hinzuknien beim zweiten (!) Lied wirkte komplett fehl am Platz und wie ein peinlicher Versuch, Stimmung zu machen. Bei den bekannteren Liedern tauten die Leute etwas auf, aber selbst die drei Lieder, die ich mochte, ließen mich relativ kalt.
Apropos kalt: Der letzte Tag war mit Abstand der heißeste. Glücklicherweise hat der Area-Jesus mit dem Gartenschlauch für Abkühlung gesorgt und sich so in unsere Herzen und Erinnerungen gebrannt. Ich würde behaupten, alle, die am Festival waren, sind sich einig, dass er der absolute Star war!
Nach diesen zwei ernüchternden Aufführungen war es endlich Zeit für ANGELUS APATRIDA. Ich hab’s mir in der ersten Reihe gemütlich gemacht und jede einzelne Sekunde der Show genossen. Es hat umso mehr Spaß gemacht, weil die Mitglieder voll motiviert waren und selbst irrsinnig gute Laune verbreitet haben. Für mich war es definitiv einer der besten Auftritte vom gesamten Festival!
Auch DESERTED FEAR haben mich mit ihrer Wahnsinnsbühnenpräsenz mitgerissen. Die Jungs waren mir sofort sympathisch und die Musik hat mir besser gefallen als erwartet. Ich hatte mir im Vorfeld einige ihrer Lieder angehört und fand sie gut bis auf den dumpfen Sound. Live haben mich DESERTED FEAR dafür richtig begeistert. Vor mir war ein Mädel, das Down-Syndrom hatte und scheinbar ein Riesenfan der Band war. Der Moment, als sie jemand auf die Schultern genommen hat und sie lächelnd über beide Ohren auf die Band geschaut hat, war unglaublich süß!
Während THE NEW ROSES hat meine Kamera angefangen, rumzuspinnen. Für mich war es das erste Mal, Fotos mit einer Spiegelreflexkamera zu machen, also war ich ziemlich hilflos. Von da an ging es bergab mit ihr, obwohl ich irgendwie noch gute Fotos von EXODUS schießen konnte. Von THE NEW ROSES hab ich deswegen nicht allzu viel mitbekommen, weil ich versucht habe, das Problem zu lösen.
Und dann kam auch schon eine meiner größten Überraschungen überhaupt: EXODUS. Mir waren die Thrasher natürlich ein Begriff, aber ich hatte mir im Vorfeld nur ein Lied angehört und fand es schrecklich. Dafür fand ich ihren Live-Auftritt von Anfang bis Ende grandios! Ich kann mich lustigerweise gar nicht an viel erinnern, außer dass ich es extrem geil fand und mir die Band unbedingt nochmal zu Gemüte führen muss.
Nach so viel Euphorie gab’s zwischendurch einen Dämpfer. Mit ENSIFERUM hab ich kaum etwas anfangen können, aber viele Leute waren absolut begeistert von der Band. Mir ist es auch so vorgekommen, als wären zu dem Zeitpunkt so viele Leute am Gelände gewesen wie nie zuvor.
Als krönenden Abschluss wollte ich mir TESTAMENT von ganz vorne anschauen und bin sogar in die erste Reihe gekommen. Es ist generell unfassbar wie problemlos man am Area 53 so nahe an richtig großen Bands sein konnte! Alleine deswegen ist dieses Festival einzigartig. Aber es ist auch ein bisschen schade, dass es nur so wenige Leute besucht haben…
TESTAMENT haben mich tatsächlich etwas enttäuscht. Ich habe fast keine Lieder gekannt, die sie gespielt haben, was nach der EXODUS-Überraschung aber keine Rolle spielen hätte sollen. Irgendwas hat gefehlt, obwohl ich die Bandmitglieder als extrem sympathisch und agil erlebt habe. Gerade Gitarrist Alex Skolnick hat uns in der ersten Reihe ständig Blicke zugeworfen und uns mit seiner Lebensfreude angesteckt. Der Auftritt war solide, aber da hätte mehr gehen können. Das letzte Lied kam für mich total abrupt und ich konnte gar nicht glauben, dass es schon wieder vorbei war. Allerdings habe ich von eingefleischten Fans mitbekommen, wie sehr sie das Konzert gefeiert haben und darauf kommt es am Ende des Tages an!
Fazit: Was das Area 53 zu einem besonderen Festival macht, ist die Möglichkeit, große internationale Bands hautnah zu erleben. Dazu kommt die tolle Organisation seitens der Crew, die Headbanger und Bands entspannt zurücklehnen und genießen lässt. Wen diese Argumente immer noch nicht überzeugen, beim nächsten Mal (wieder) dabei zu sein, der soll sich von der wunderschönen Landschaft verzaubern lassen! Für mich war es sicher nicht der letzte Besuch…