Pleiten, Pech und Pannen sorgen zum einen dafür, daß ich die Promo erst Donnerstagabend erhielt, zum anderen das meine private Version des Albums auf dem Postweg verhungert. Trotzdem bin ich einfach nur glücklich, daß mich meine Helden endlich wieder mit einer Scheibe beglücken. Und was für eine! Ich feiere SENJUTSU seit ungefähr 36 Stunden ab, was dann auch erklärt, warum diese Kritik etwas später erscheint. Also gleich nochmal aufgelegt, heute mal ausnahmsweise nur Wasser als Begleitgetränk und auf zur Rezi:
Das 17te Studioalbum der Ikone ist es auch wirklich mal wieder wert, von jedem Maidenfan beachtet zu werden. Denn den Kritikern der letzten Werke muß man objektiv recht geben,
wenn diese teilweise künstlich gestreckte Songs mit uninspirierten Gedudel zu bemängeln hatten.
Auch wenn The Book Of Souls zumindest für Leute anspruchsvollerer Langzeitkompositionen einen Höhepunkt in der Diskografie markiert,
sowohl The Final Frontier als auch A Matter Of Live And Death verloren durch das Gentlemen`s Aggrement der drei Gitarristen etwas an Qualität.
Auf SENJUTSU bleibt diese moralische Verbindlichkeit natürlich bestehen, jedoch hat man schon bei den vorab veröffentlichten Stratego (ein epischer Maiden – Banger mit Powerslave – Galopp ) und dem Country – Rocker The Writing On The Wall (welches mir im Albumkontext um Welten besser gefällt) bemerkt, daß die drei Saitenhexer diesmal wirklich Bock zu haben scheinen.
Und tatsächlich ist dies über die ganze Länge der Platte so!
Das erste Mal seit Jahren füllt man jede Sekunde sinnvoll aus und spielt nicht um der Präsenz willen, sondern weil man Lust hat. Der mit Besorgnis erregenden Satellite15 – Drums startende Titeltrack entpuppt sich nach einigen Sekunden als sehr dunkler Midtempobanger,
bei dem im Hintergrund eine Menge passiert, der zudem ungewöhnlich düster und schleppend als Einstieg ist, aber trotzdem sehr gut ins Ohr geht.
Zusammen mit den oben erwähnten Titeln steht zumindest fest, daß hier der stärkste und abwechslungsreichste Eröffnungshattrick seit Brave New World in die Rillen gepresst wurde.
Auffällig ist zudem, daß Maiden neben kleinen, aber sehr gelungenen Experimenten, vor allem die 90er Jahre, insbesondere die Baley – Phase, resümieren.
So ist der folgende Neuneinhalbminüter Lost In A Lost World ein grandioser Bastard aus
Fortunes Of War sowie The Unbeliever nebst leichten From Here To Eternity – Avancen zu Beginn.
Das etwas zu lang geratene Death Of The Celts (für mich trotz des musikalisch genial umgesetzten Marsches in den Untergang einer von zwei nur sehr guten Songs und somit eine Schwachstelle)
offenbart hingegen The Clansman – und Don`t Look To The Eyes Of A Stranger – Anleihen.
Die Schwächen auf SENJUTSU, so denn man hier von echten sprechen kann, lassen sich an drei Fingern abzählen. Death Of The Celts, die aus einem finsteren Mix aus Coming Home und Man Of Sorrows bestehende Halbballade Darkest Hour (welche zwar sehr stark ist, aber mit dem Rest nicht ganz mithält) und die manchmal überrepräsentierten Tasteninstrumente.
Das war es schon! Wer sich wie ich einfach nur freut, das seine Götter wieder eine Audienz abhalten, wird positiv überrascht sein, wie motiviert und frisch seine Helden noch klingen können, wenn sie denn wollen.
Jeden Fan der Achtzigerwerke wird man auch diesmal nicht voll überzeugen, obwohl diese Stratego und das grandiose Days Of Future Past (Volldampfgassenhauer mit modern angehauchten Gitarrenklängen, eine der stärksten Hymnen seit Jahrzehnten!) nur zu gerne fressen werden.
Denn auch wenn The Time Machine (eine musikalisch kreative Zeitreise mit diversen Saiteninstrumenten), Senjutsu sowie die abschließenden The Parcement (das Albumhighlight!) und Hell On Earth (Empire Of The Clouds trifft Sign Of The Cross und Look For The Truth!)zwar trotz aller Vertracktheit gut zu konsumieren sind, werden sie wohl für diese Klientel nicht zu gebrauchen sein.
Im Gesamten klingt dieses Werk wie eine noch düstere Version von The X Factor plus den besten Zutaten von Powerslave bis The Book Of Souls.
Zündet also zum Hören eine Kerze an, denn die hier vorhandene düstere Grundstimmung ist sehr Vereinnahmend! Viele Songs bieten grandiose Momente. Der Beginn von The Time Machine,
die geniale Hintergrundarbeit im Titeltrack, die Gänsehautharmonien in Hell On Earth als auch
The Days Of Future Past und The Parcement als Gesamtwerke gehören zu den großartigsten Momenten der Bandhistorie!
Im Vergleich zu den drei Vorgängern haben es Maiden wieder geschafft, progressive Songs oberflächlich massenkompatibler zu gestalten. Die Zeit rennt fort, zehn Minuten fühlen sich wie fünf an, was eine absolute Nachhaltigkeit offenbaren wird.
Das Album ist ein absoluter Grower, der den treuen Fan von Anfang an begeistern wird und schon jetzt, nach meinem Dafürhalten, das beste seit Brave New World.
Wenn Fear Of The Dark nicht diese eine Jahrhundertkomposition (deren musikalisches Grundschema des sich schließenden Kreises auch hier wieder oft zum Tragen kommt) hätte,
die Keyboards nicht teilweise zu drüber wären und man das eine oder andere Selbstzitat geschickter verpackt hätte, es wäre in der Tat das beste Werk seit 1988. Up The Irons!